Gütertriebzug

Die treibende Kraft der Innovation im SGV

Warum Gütertriebzüge?

2020. január 02. 05:27 - újember

Die vorgeschlagene Gründung eines Konsortiums steht derzeit nicht an. Ich nutze die feiertagsbedingte Arbeitsflaute, um in 2 Einträgen die Vorteile, absehbaren Grenzen, Risiken und mögliche Anwendungsfelder von Güterverkehr mittels Triebzugtechnik etwas detaillierter als bisher darzulegen.

Ausgehend vom Stand bisheriger F&E-Bemühungen (zuletzt insbesondere ARON Rail Cargo System) zeichnet sich ab, dass sowohl lokbespannte Traktion als auch Ansätze mit verteilter Traktion dauerhaft im zukünftigen Schienengüterverkehr (SGV oder GV) eine Rolle spielen dürften.
Mögliche Ansätze mit verteilter Traktion: Wendegüterzug mit zweiter Lok statt Steuerwagen, ferngesteuerte Loks an verschiedenen Stellen im Zugverband, Triebköpfe, vollwertiger Triebzug mit Antriebsmotoren auf den Zugverband verteilt.

Es muss sich in weiterer Folge erweisen, welche Ansätze sich unter verschiedenen Marktbedingungen, betrieblichen, geografischen und wirtschaftlichen Konditionen für welche Anwendungsbereiche bewähren.

Soweit, so logisch - nicht zuletzt mit einem Seitenblick auf den Personenverkehr (PV), wo sich verteilter Antrieb seit vielen Jahrzehnten bewährt; wohlgemerkt aus zum Teil ganz anderen Gründen als (potenziell) im GV. Dieser Blog richtet sich nicht zuletzt an Partner aus der Eisenbahnindustrie und an potenzielle Anwender (Verlader, EVU). Meiner Erfahrung nach - auf Basis zahlreicher Gespräche - leuchtet tendenziell einem durchschnittlich begabten Mittelschüler rascher als alten Branchenhasen ein, warum wir Gütertriebzüge bauen sollten. Dies wohl weniger darum, weil alte Hasen besser über die technischen Umstände und Grenzen eines potenziellen Triebzugeinsatzes Bescheid wissen. Der Fall dürfte ähnlich gebettet sein wie in der Informatik der Linux-Einsatz am Desktop. In unserem Fall sind die Branchenplayer mehrheitlich stark darauf fixiert, das Maximum aus bestehenden Ressourcen herauszuholen. Die Anschaffung neuer Ressourcen ist bei den derzeitigen niedrigen Margen höchstens Teil des Geschäftsmodells weniger innovativer Marktteilnehmer, zumal innovatives Rollmaterial zu einem höheren spezifischen Preis zu bekommen ist und ggf. sogar F&E-Kosten übernommen werden müssten, sofern diese nicht gefördert werden.

Linux ist am Desktop bis heute eine eher marginale Erscheinung. Einerseits zeigen Städte, Länder und Regionen mit überdurchschnittlicher Marktdurchdringung, dass sich eine bewusste Entscheidung für die Alternative durchaus lohnen kann, obwohl auch mit Hindernissen und Risiken behaftet. Andererseits hat sich Linux auf dem Mobil- und Servermarkt behauptet. Das alternative Betriebssystem setzt sich anders durch, als zunächst erwartet oder erhofft. Ähnliches kann uns auch im SGV bevorstehen - siehe auch der zweite Eintrag 2020.

Zuerst die allgemeinen Gründe, die für einen Triebzugeinsatz sprechen:

+ Deutlich höhere Produktivität möglich
Das derzeitige Verhältnis zwischen Produktivität und Inproduktivität des Rollmaterials lässt sich umkehren. Bei ARON-RCS wurde deutlich: Gütertriebzüge können bei optimaler Einsatzplanung zeitanteilig cirka so produktiv sein, wie konventionelle Güterwagen derzeit unproduktiv herumstehen. Letzteres lässt sich ohne radikal neue technologische Ansätze nur sehr schwer (bzw. kostspielig und im begrenzten Umfang) in die positive Richtung verändern.

+ Triebzugtechnik bewährt sich im PV. Aus den hier dargelegten Gründen ist verteilter Antrieb auch im SGV erfolgsversprechend und kann dem System Schiene entscheidende Vorteile verschaffen. Es ist nicht sonderlich schwer oder teuer, vorhandene Triebzugtechnik für den GV zu adaptieren.

+ Dank ähnlicher Fahrdynamik und höherer Geschwindigkeit eine deutliche Verringerung der Konflikte zwischen PV und GV. Der Einsatz von Gütertriebzügen dürfte sich insbesondere auf Strecken mit Kapazitätsproblemen für alle Stakeholder lohnen, entsprechende Anreize sollten auch ins Trassenentgeltsystem eingebaut werden.

+ Optimierungspotenzial Fahrweg + Rollmaterial
Dies ist vor allem bei Neubau- und Ausbauprojekten ein Gesichtspunkt. Der Musterfall dafür wäre ein neu anzulegendes Inselnetz, hier würde sich der exklusive Einsatz von Gütertriebzügen verstärkt lohnen. Der Güterverkehr einer Inselwirtschaft kann heute recht gut auf Basis von Wechselbehältern abgewickelt werden, mit Ausnahme überdimensionierter Sondertransporte und gewisser Arbeitszugverkehre, die sich statt schwerer Streckenloks auch mit einigen wenigen leichten Loks abwickeln lassen. Somit kann ein leichterer Oberbau errichtet werden dank geringerer Achslasten und Inanspruchnahme. Der Streckenverlauf kann (ähnlich wie bei PV-Strecken ohne schweren Güterverkehr) näher der Topographie folgen, es sind deutlich weniger Erdarbeiten und Kunstbauten nötig, und man erhält mehr Flexibilität bei der Routenplanung, weshalb auch mit weniger Schaden am Baubestand, mit weniger Restitutionskosten und allgemein mit weniger negativen spatialen Effekten der neuen Bahnlinien gerechnet werden kann. Außerdem müssen bei reinem Triebzugeinsatz keine kostspieligen Zugbildungsbahnhöfe errichtet werden, eine günstigere Umschlaglogistik kann zum Einsatz kommen, es lassen sich deutlich mehr Umschlagpunkte im kombinierten Verkehr wirtschaftlich darstellen.
Diese Vorteile lassen sich bei geografisch beschränkten Ausbauprojekten in Bestandsnetzen (oder im Anschluss daran) im reduzierten Umfang realisieren.

+ Für den Ansatz von ARON-RCS mit Zwillingswagen spricht, dass auf diese Weise zeitgemäße Triebzugtechnik ein Maximum an Flexibilität ergibt, bei nahezu konstanter Achslast und demselben Standard-Laderaum in jedem Waggon einschließlich Steuerwagen und angetriebene Wagen. Jede selbstfahrende Einheit hat eine vollwertige Zugsteuerung, die Fahrt übernimmt automatisch die letzte Einheit im Zugverband. Dank Redundanzen ist für ein Optimum an Betriebssicherheit gesorgt. Gütertriebzüge lassen sich flexibel so konfigurieren, dass für eine gegebene Strecke eine durchgehende Fahrt mit entsprechender Traktionsleistung möglich ist. Unabhängig von der Traktionsart arbeiten immer sämtliche Antriebsmotoren.

+ Anders als bei Wendezügen oder Triebköpfen ermöglicht verteilter Antrieb praktisch eine beliebige Zuglänge, Fahrtrichtung und der Gewichtsunterschied beladener und leerer Züge spielen keine Rolle. Kurzzüge sind in vielen Fällen wirtschaftlich, insbesondere wenn die neuen betrieblichen Realitäten bereits im Trassenpreissystem berücksichtigt sind. Gleichzeitig können Züge einfach und rasch gekoppelt werden und somit im Mittellauf gemeinsam verkehren, um Personal, Kapazitäten oder ggf. auch Gebühren zu sparen.

+ Triebzüge mit eingebauter Bordlogistik oder in Verbindung mit kostengünstigen, innovativen Horizontal Container Transshipment (HCT) Anlagen ermöglichen InterCity-Containerzugsysteme mit neuen Umschlagpunkten, die eine Bedienung zahlreicher neuer Standorte im kombinierten Güterverkehr (KV) ermöglichen. Somit reduzieren sich die Distanzen zusätzlich, auf denen sich SGV für diverse Güter und Warengattungen lohnt.
Solange wir auf Innovation strikt im Rahmen marktgängiger Standards setzen, können die KV-Kapazitäten auch ohne erhebliche trassenseitige Investitionen deutlich erweitert werden.

+ Triebzüge mit eingebundener Akku- oder Dieseltraktion können von Halle zu Halle ohne Rangierlok verkehren und fallweise die kostengünstige Bedienung von Gleisanschlüssen im Ganzzug- und Wagengruppenverkehr ermöglichen. Die Last-Mile-Funktion ist ebenso gegeben wie die Fähigkeit zur Weiterfahrt mit reduzierter Geschwindigkeit im Fall räumlich begrenzter Störungen im Oberleitungsnetz.

+ In Triebzügen kann Spitzentechnologie auf möglichst einfache, standardisierte, flexible, kostengünstige, wartungsarme Weise zur Anwendung gelangen. Die absehbare Entwicklung läuft auf eine Vereinheitlichung der Fahrzeugflotten bei gleichzeitiger Anwendung spezialisierter, normierter Wechselbehälter hinaus.

+ Die höheren Anschaffungskosten der anvisierten Triebzüge amortisieren sich sowohl durch die größere Produktivität als auch durch die niedrigeren Betriebskosten und die höhere Betriebssicherheit.

+ Neben der Logistikintegration kann auch der Vermögensschutz auf ein höheres Niveau gebracht werden.

+ Zeitgemäße Gütertriebzüge kommen den Automatisierungsbestrebungen in jeder Hinsicht entgegen.

+ Dank höherer Geschwindigkeit (bei ARON-RCS standardmäßig vmax. 160 km/h) lassen sich Gütertriebzüge zusätzlich für den Nachtsprung auf Hochgeschwindigkeitsnetzen nutzen. Die durchgehende Bedienung von Relationen über Systemgrenzen hinweg wird ermöglicht.

+ Die Entwicklung von Güterzugsystemen mit verteiltem Antrieb sollte von Anfang an den globalen Rollout im Auge haben. Bei entsprechender Bauweise lassen sie sich relativ einfach für nationale und regionale Standards adaptieren. Varianten für den system- und länderübergreifenden Einsatz sind wesentlich leichter umsetzbar als bei Loktraktion mit einer großen Bandbreite von Güterwagen. Eine möglichst robuste, wartungsarme Ausführung kommt dem Einsatz in Ländern mit einer niedrigen Wartungskultur oder mit extremen klimatischen Bedingungen entgegen.

+ Der Einbau eines automatisierten Spurwechselsystems ist gemäß Kalkulationen bei ARON-RCS möglich, womit auch ein durchgehender Einsatz ohne Halt an der Systemgrenze auf Netzwerken mit unterschiedlicher Spurweite in den Bereich des Möglichen rückt.

+ Das anvisierte Fahrzeugsystem ist rückwärts und vorwärts kompatibel mit konventionellem und innovativem Rollmaterial. Weitere zweckmäßige Innovationen lassen sich integrieren, im begrenzten Umfang können fallweise konventionelle Wagen traktioniert werden, oder im (dank der hohen Betriebssicherheit seltenen) Fall einer fatalen Panne oder eines Unfalls lässt sich eine Lok vor den Gütertriebzug spannen.

+ Sämtliche relevante Innovationen, die bisher in konventionellen Güterwagen mehr oder weniger erfolgreich eingesetzt wurden, lassen sich in Triebzüge einbauen. Dank ihrer kulmulierten Vorteile lohnt sich eine radikale Verjüngungs- und Modernisierungskur der SGV-Ressourcen eher, als wenn weiterhin nur an konventionellen Waggons "herumgebastelt" wird. Somit können Gütertriebzüge zur treibenden Kraft der Innovation im SGV werden, damit sich auch das Klimaschutzpotenzial des Systems Schiene im Gegensatz zur bisherigen Praxis zügig und im weit größeren Umfang realisieren lässt.

Wesentlich ist: Wir brauchen in erster Linie ein möglichst einfaches, solides, universelles, global einsetzbares Basis-Fahrzeugsystem mit verteiltem Antrieb. Weitere Entwicklungen wie z. B. Hochgeschwindigkeits-Triebzüge oder spezielle Lösungen für Anschluss- und Regionalbahnen können allenfalls auf dem Erfolg eines solchen Basissystems aufbauen. Dieses kann einen Gutteil der heutigen Leistungen kostengünstiger erbringen, und Neugeschäfte können im signifikanten Ausmaß von der Straße auf die Schiene verlagert werden - auf wirtschaftliche, energieeffiziente Weise.

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