Gütertriebzug

Die treibende Kraft der Innovation im SGV

Grenzen und Möglichkeiten des Triebzugeinsatzes

2020. január 10. 05:42 - újember

Mein heutiger Eintrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, schon gar nicht auf fachliche Unfehlbarkeit. Schließlich sind derzeit praktisch keine modernen Gütertriebzüge im Einsatz. Auf Basis einer mehrjährigen intensiven Auseinandersetzung möchte ich der Diskussion um alternative Traktionsformen im GV einige Anregungen, Frage- und Ausrufzeichen hinzufügen.
Ich bin dankbar für Reaktionen, Korrekturen, Ergänzungen - hier oder privat. Ab und zu hörte ich von einer Diskussion zum Thema, in Ländern wie Deutschland, England oder der Schweiz. Vermutlich war ich in geografischer und fachlicher Hinsicht nie genug im Mainstream, um direkt beteiligt gewesen zu sein. Jedenfalls hab ich selbst hunderte Gespräche hierzu geführt, Fachleute und Proponenten diverser Alternativen mit Fragen durchlöchert. Ich versuche, alles zur Kenntnis zu nehmen, was mir zu den Alternativen bekannt wird. Vermutlich gibt es noch Foren und Kreise, wo eine solche Diskussion geführt wurde, die ich nicht kenne, oder von denen ich ein Interesse an der Thematik nicht voraussetze. Substanzielle Ergebnisse interessieren mich sehr. Vielleicht gibt es einschlägige Initiativen und Fachleute, von denen ich noch nicht gehört habe.

1. Grenzen und Hindernisse des Einsatzes alternativer Traktionsformen im Schienengüterverkehr (SGV)

A. Technische Grenzen

- Problematik der Grenzparameter für die Zuglänge bei konventionellem Rollmaterial (insbesondere mit Blick auf Kupplungs- und Bremsvorrichtungen). Bei Traktion mit Steuerwagen, Triebköpfen oder Mehrfachtraktion an den Zugenden kommen diese zum Tragen, bei Loktraktion auf den Zugverband verteilt ist damit zu rechnen u.a. bei der Anordnung der Traktionsleistung und der Konfiguration der Fernsteuerung, bei Ausfall von Traktionsleistung können Notmaßnahmen erforderlich sein.
Basiert die Traktionslösung auf zeitgemäßer Triebzugtechnik, sind der Zuglänge eher nur infrastrukturseitig Grenzen gesetzt. Die Betriebssicherheit kann sich auf Basis redundanter, wartungsfreundlicher Lösungen deutlich verbessern.

- Bei Push-Pull-Wendezügen begrenzte Zuglänge im Push-Modus, ggf. kann der Steuerwagen nur bei Leerfahrt vorne stehen.

- Bei verteiltem Antrieb verschafft die Möglichkeit gemischter Traktion ganz neue Perspektiven für durchgehende Verkehre auch über Systemgrenzen hinweg. Die lang- und kurzfristige Betriebsplanung wird jedoch auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert, um für alle Betriebs- und Geschäftsfälle eine optimale, kommerziell vertretbare Lösung bereit zu halten. Es kann etwa durch Einreihen von mehr Waggons ohne Antrieb Traktion eingespart werden bei reduzierter Endgeschwindigkeit (betriebliche Lösung in etwa wie Super Rail Cargo in Japan), doch derart können auch keine größeren Steigungen befahren werden und andere Fahrtrassen können benötigt werden.

- Bei einem Fahrzeugsystem wie ARON-RCS können verfügbare Traktionseinheiten frei zu einem Zugverband kombiniert werden, der das optimale Befahren ohne Traktionswechsel gewisser Routen bei deutlich höherer Laufleistung des Rollmaterials ermöglicht. Dank der durchgehenden Kraftleitung können unabhängig von der Stromquelle immer alle Antriebsmotoren arbeiten. Es sind aber bei der Zugkonfiguration gewisse neue Faktoren zu beachten, aufgrund der Gesetze der Elektrik müssen etwa die oberleitungsgespeisten Traktionseinheiten entsprechend im Zugverband angeordnet und verbunden werden. Bei ARON-RCS kann eine Traktionseinheit entweder mit Gleichstrom oder mit Wechselstrom betrieben werden, unterschiedliche Spannungen sind möglich.

- Gütertriebzüge werden insbesondere im KV in der Regel nicht für jede Fahrt neu gebildet, auch wenn die (Zwillings-)Einheiten technisch sehr rasch getrennt werden können und über eine vollwertige Zugsteuerung, also grundsätzlich auch über die Fähigkeit zu automatisierten Zugbildungsfahrten verfügen. Erfordert ein Zugsystem z. B. mit Wagengruppen Zugbildungsfahrten, so kommen andere Anforderungen an Infrastruktur und Fahrdienst an den Zugbildungspunkten zum Tragen als bei Verkehren ohne Trennung der Triebzüge bzw. mit konventionellem Rollmaterial.

- Innovatives Rollmaterial kann selbstverständlich nicht alle Probleme lösen z. B. administrativer Art, aufgrund mangelhafter Infrastruktur oder Betriebskultur, falscher Prioritäten im Fahrdienst usw., die die Effizienz des Systems Schiene beeinträchtigen und nur zu oft den heutigen Betriebsalltag prägen. Derartige, zu Lasten der Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des SGV gehenden Probleme müssen verstärkt angegangen werden, damit Betreiber von Gütertriebzügen zu ihrem Geld kommen, und nicht aus solchen externen Gründen an einer suboptimalen Laufleistung leiden, oder zu an und für sich irrationalen, kostentreibenden betrieblichen Maßnahmen gezwungen werden.

B. Weitere kommerzielle und marktpsychologische Hindernisse

- Aufgrund der heute üblichen geringen Margen ist jedes Geschäftsmodell herausfordernd, das mit der Einbindung innovativen Rollmaterials mit höheren spezifischen Kosten rechnet. Fast alle Marktteilnehmer wollen so viel wie möglich aus vorhandenen Ressourcen herausholen, entsprechend groß ist die Skepsis gegenüber kostspieligeren innovativen Lösungen. Solche müssen deshalb kommerziell hochinteressant sein, was bei modernen Gütertriebzügen zumindest unter bestimmten Bedingungen gegeben scheint. Wo betrieblich eine wesentlich höhere Laufleistung bei raschen Wendezeiten und mehr Flexibilität möglich wird, können auch die Distanzen verringert werden, auf denen für gewisse Warengattungen, betriebliche und logistische Konstellationen SGV interessant wird.
Wer zur Kenntnis nimmt, dass die Verlader auch zum Preis eines teureren Rollmaterials dort abgeholt werden müssen, wo sie sich befinden (kommerzielle und technische Zugangsbarrieren zum System Schiene reduzieren!), kann auch bei höheren Einstandskosten für das Rollmaterial ein gutes Geschäft machen.

- Zuglauflänge
Natürlich fallen im Betrieb mit Gütertriebzügen andere spezifische Kostenpositionen an als mit herkömmlichem Rollmaterial. Kalkulationen bei ARON-RCS ergeben die Faustregel, dass Triebzugtechnik im GV für Zugläufe bis ca. 3000 km in Erwägung gezogen werden sollte, darüber hinaus ist jedenfalls Loktraktion günstiger. Bei verschiedenen Warengattungen und betrieblichen Konstellationen ist aber mit sehr diversen Zahlen zu rechnen und entsprechend unterschiedlich dürften die kommerziell interessanten Zuglauflängen ausfallen.
Es sind mir beispielsweise noch keine Kalkulationen bekannt für den Fall der durchgehenden Bedienung von Routen mit unterschiedlicher Spurweite mit Triebzügen, deren Fahrgestelle für den automatisierten Spurwechsel ausgelegt sind - etwa zwischen Italien und Spanien Breitspur, zwischen Mitteleuropa und dem GUS-Raum, oder zwischen dem indischen Subkontinent und den an das Breitspurnetz angrenzenden Wirtschaftsräumen.

 - Ähnlich wie im PV stellt sich fallweise die Problematik des optimalen Kapazitätsmanagement, bei Betrieb mit Triebzügen kann mitunter weniger flexibel auf Aufkommensschwankungen reagiert werden. Die durchschnittliche Auslastung muss im GV höher sein aufgrund der unterschiedlichen Transportkostenstruktur. Dafür sind die Verkehrsspitzen weniger markant, eher treten längerfristige anlass- oder konjukturbedingte Schwankungen auf.

C. Regulatorische Hindernisse

- Die Bepreisung der Infrastrukturnutzung berücksichtigt heute wenig bis gar nicht die betrieblichen und technischen Realitäten von SGV mit innovativem Rollmaterial und alternativen Traktionsformen.

- Container-Zugsysteme mit stationärem oder bordseitigem Horizontal Container Transshipment (HCT) ermöglichen technisch den Umschlag unter dem geladenen Fahrdraht, doch wird diese Möglichkeit von den nationalen Reglements oft gar nicht eingeräumt, d. h. eine Modifikation wird nötig.

D. Infrastrukturseitige Hindernisse

- Theoretisch sind mit Gütertriebzügen und HCT getaktete Containerzugsysteme mit deutlich mehr nachhaltig bedienbaren Umschlagpunkten möglich, d. h. der Anteil des KV bzw. des SGV innerhalb des KVs ließe sich deutlich anheben. In der Praxis gestaltet sich die Suche nach bahn- und straßenseitig geeigneten Standorten je länger, desto schwieriger.

2. Einsatzmöglichkeiten für Gütertriebzüge

A. Innovative KV-Systeme

+ Container InterCity
Mit Hilfe moderner, leicht und rasch koppelbarer Gütertriebzüge und Horizontal Container Transshipment (HCT) lassen sich Wirtschaftsstandorte auch über die großen Ballungsräume hinaus zu InterCity KV-Netzwerken verbinden. Die Züge können wo betrieblich und kommerziell rationell auf Teilstrecken geflügelt werden bzw. auf Mittel- oder Teilläufen gekoppelt verkehren. Ebenso interessant wie fächerartige Verteilverkehre ist auch ein System von Kreisverkehren, wobei die Kreis-InterCitys an gewissen Umschlagpunkten aneinander angebunden sind und derart längere Transportketten ermöglichen, ggf. in Verbindung mit einem Vor- bzw. Nachlauf auf der Straße.

+ In Anlehnung an die Vision von Prof. S. Karch für eine Renaissance des SGV im Stückgutverkehr rege ich an: Die Entwicklung einer entsprechenden Stückgutlogistik könnte in Verbindung mit dem Aufbau innovativer KV-Containerzugsystemen leichter, nachhaltiger zu bewältigen sein. An Stückgut-Standorten können nacheinander angeordnete logistische Abschnitte dem Umschlag spezieller Stückgut-Container (o. ä. Umschlaglösungen) bzw. ganzer Containerladungen gewidmet sein. Wo ein ganzer Stückgut-Triebzug zusammen kommt, kann ein solcher - wo von Vorteil, auch abschnittsweise - mit einem Containerzug verbunden verkehren, bzw. bahnbetrieblich in das Container-InterCity-Netz integriert werden.

+ Hafen-Hinterlandverkehre
Hier können Gütertriebzüge helfen, Kapazitätsprobleme zu dämpfen. Ihre Fahrdynamik und hohe Laufleistung kommt einer optimalen Nutzung vorhandener Infrastruktur und einem Modal Shift zugunsten des SGV und KV im Hafenhinterland entgegen.

+ Verteil- und Zubringerverkehre beidseits des Breitspurabschnitts der Far Eastern Land Bridge'
Auf europäischer Seite könnten im Anschluss an den Breitspur-Mittellauf kreis- oder fächerförmige Shuttle-Zugsysteme die Nahverteilung übernehmen, den SGV-Anteil am Gesamtaufkommen erhöhen und helfen, die Land Bridge kommerziell nachhaltiger zu machen. Ggf. können mehrere Zugverbände bis zu großen Ballungsräumen zusammen fahren und dort zum Teil umgeschlagen, zum Teil als Flügelzüge weiter verkehren.
China ist freilich ein großer Brocken; auch hier könnten entsprechend konfigurierte Gütertriebzüge bald eine flexible, wirtschaftliche betriebliche Alternative darstellen. Ich denke insbesondere daran: Das Land verfügt derzeit zwar über das größte Hochgeschwindigkeitsnetz, aber aus historischen Gründen praktisch nur über Hauptlinien und so gut wie keine Regionalnetze. Ab einer gewissen Schwelle an Verkehrsleistungen könnte das Vorhandensein verteilter Antriebslösungen im GV der nachhaltigen Entwicklung zukünftiger Regionalnetze entgegen kommen, da sich Zugsysteme einfach flügeln/koppeln lassen und Kurzzüge deutlich wirtschaftlicher sind.

+ KV-Zugsysteme im Hochgeschwindigkeitsnetz und über Systemgrenzen hinweg
Gütertriebzüge, die standardmäßig für z. B. vmax. 160 km/h ausgelegt sind, können sich gut für einen Einsatz auf Hochgeschwindigkeitsstrecken im Nachtsprung eignen, ohne dass eigens dafür entwickelte Fahrzeugsysteme benötigt werden. Der Triebzug kann Routen auf unterschiedlicher Infrastruktur durchgehend bedienen ohne die Notwendigkeit für Traktionswechsel, erneute Zugbildung oder Umladen. Die Bedienung von Relationen über Systemgrenzen jeder Art ist einfacher als mit konventionellem Rollmaterial oder erstmals überhaupt möglich. Dies gilt natürlich nicht nur für klassische KV-Verkehre.

+ ...

B. Spot-to-spot Ganzzugsysteme

+ Zwischenwerkverkehre
Gütertriebzüge können ohne Rangierdienste von Halle zu Halle verkehren. Wo kein Diesel erwünscht ist, kann dank der Fortschritte in der Akku-Technik auch ein emissionsfreier Betrieb gewährleistet werden. Bei ARON-RCS hat eine Akku-Traktionseinheit in derselben Kubatur Platz, wie eine OL- oder D-Traktionseinheit.

+ ... ...

C. Einzelwagenverkehre und Wagengruppen

+ Die Zukunft der bisherigen oder früheren Einzelwagenverkehre dürfte zum größeren Teil im (neu, effizienter aufgestellten) KV liegen. Zugsysteme mit Wagengruppen könnten aber auch von neuen Traktionslösungen mit verteiltem Antrieb profitieren. Verglichen mit konventionellen Lösungen müssen dazu die Zugbildungsfahrten vereinfacht und beschleunigt (automatisiert) werden, die Zugbildungsbahnhöfe sind entsprechend umzukonfigurieren und auszurüsten, das Personal auszubilden.

D. Alternative Traktionsformen als Mittel zum Management von Kapazitätsproblemen

+ Würden wir über moderne Gütertriebzüge verfügen, könnte z. B. im Rheintal bzw. im Zulauf zum Alpentransit die Transportleistung deutlich erhöht werden, auch die Einbindung alternativer Routen wäre fallweise deutlich einfacher, kommerziell interessanter - sowohl bei Havarien als auch im Regelbetrieb. Gütertriebzüge mit entsprechender Traktionsreserve können bei Pannen im Oberleitungsnetz einfach mit reduzierter Geschwindigkeit weiterfahren und mitunter sogar stecken gebliebenen Personenzügen erste Hilfe leisten.

+ Wo es aufgrund mangelnder Koordination, diverser "Sachzwänge" oder fragwürdiger politischer Prioritäten auf Zulaufstrecken Engpässe gibt, sollte zwecks Kapazitätsoptimierung verstärkt Rollmaterial mit höherer Laufleistung und Fahrdynamik zum Einsatz kommen. Wo der Wirtschaft und den Betreibern daraus Vorteile erwachsen, sollten kommerzielle Anreize für einen solchen Einsatz geschaffen werden. Somit könnten etwa die großen Infra-Projekte im Alpentransit nachhaltiger genutzt werden, fallweise könnten sogar anschließende Infrastrukturprojekte überarbeitet werden.

E. Problemkreis Regionalbahnen

Ursprünglich wurde ich bei ARON-RCS angeheuert, um das Potenzial von Triebzugtechnik für den GV der Regionalbahnen ausloten zu helfen. Wie sich relativ bald herausstellte, lässt sich - speziell in Ungarn mit seinen demografischen und wirtschaftlichen Realitäten - die Bedienung der derzeitigen oder potenziellen Einzelwagenverkehre der Nebenstrecken auch nicht mit klassisch konfigurierten Gütertriebzügen mit Bordlogistik wirtschaftlich darstellen, außer es gibt dort Verlader mit regelmäßigem Bedarf für den Transport ganzer Zugladungen bzw. größerer Mengen an Wechselbehältern. Ein Vorteil: Kurze Gütertriebzüge sind dank der angepassten Traktionsleistung im Betrieb tendenziell günstiger als kurze konventionelle Güterzüge, auch lassen sie sich leicht koppeln/flügeln.

Mit Blick auf die heutigen technischen Möglichkeiten möchte ich aber nicht ausschließen, dass sich die Latte für GV auf Regionalstrecken deutlich niedriger setzen lässt. Das entsprechende, kompatible Rollmaterial dazu müsste in separaten Projekten konzipiert und entwickelt werden (z. B. kostengünstige Hilfstraktionsmittel und betriebliche Lösungen, abschnittsweise Automatisierung), damit sich auch Einzelwagen und kleine Wagengruppen in den Regionalnetzen nachhaltig befördern und ggf. zu Ganzzügen komponieren lassen.

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